Arnold Stadler

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Nicolas Born Preis, 1995

wurde am 9. April 1954 in Meßkirch geboren. Nach seinem Abitur studierte Alfred Stadler in München und Rom katholische Theologie. Anschließend setzte er seine akademische Laufbahn mit einem Germanistikstudium an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, der Universität zu Köln und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn fort. Schließlich folgte die Promotion zum Dr. phil. Nach langen Reisen, die ihn unter anderem nach Südamerika und in den Nahen und Fernen Osten führten, machte Stadler in den 1980er-Jahren das Schreiben zu seinem Beruf. 1986 erschien sein Erstlingswerk, der Lyrikband "Kein Herz und keine Seele". Seit 1995 lebt er wieder überwiegend in Rast und im Wendland. Arnold Stadler ist Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. Außerdem ist er Mitglied im Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.

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Peter Handke

Laudatio auf Arnold Stadler

Der Nicolas-Born-Preis innerhalb des Petrarca-Preises hat eine etwas gewundene Geschichte. Nach dem Tod unseres Freundes Nicolas Born, einige Jahre später, hatten wir den Entschluß gefaßt, ihm zum Gedächtnis einen Preis zu stiften, der vielleicht einem Jüngeren als uns in der Jury gebühren könnte. Dann kam es einige Jahre später dazu, daß Hubert Burdas Sohn Felix gut eingriff in die Geschichte und dachte, er könnte mit seinen Altersgenossen den Preis in die Hand nehmen und seinen Generationsgenossen, wem auch immer, den Preis zusprechen. Das ging dann aus aktuellen Gründen nicht mehr gut, und so kam der Nicolas-Born-Preis auf uns vier zurück. Was mir zum Beispiel recht war, denn auf diese Weise wurde ich dazu gebracht, mehr, als ich es sonst tat, die Bücher der Schreiber, die jünger sind als ich, zu lesen.

Denn überhaupt scheint mir, daß nicht nur zwischen den Generationen der Leser, sondern auch überhaupt im Gedächtnis der Bücher in den letzten zehn Jahren eine Art Bruch entstanden ist. Es gibt zumindest die Gefahr, die Tradition - ich meine nicht die Tradition in bezug auf ein neunzehntes oder achtzehntes Jahrhundert, nicht die Tradition in bezug auf die Klassik verschwindet, sondern die Tradition in bezug auf uns, auf die Autoren, die jetzt, in diesem Jahrhundert gelebt haben und immer noch leben -, die Gefahr, solche Tradition könnte verschwinden. Es ist fast schmerzhaft und erschreckend zu bemerken, daß in der Aufnahme der heutigen Bücher nicht mehr gewußt wird, was der und der Autor, von dem das und das Buch daliegt, vorher gemacht hat. Es ist aus vielen Kritiken zu entnehmen, daß der Rezensent das Wissen über den Autor nicht mehr aus dem Lesen bezieht, sondern aus Daten, aus dem Lexikon. Und auch deswegen scheint mir, daß der Nicolas-Born-Preis über ein paar Jahre lang diesem Traditionsverlust, den ich bemerke oder mir nur einbilde, ein wenig entgegengewirkt habe.

Vor ein paar Tagen ging ich mit Helmut Färber spazieren, und er sagte, es sei Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre wirklich ein Bruch in der Gegenwart eingetreten, die Kinder, die in den vier oder fünfziger Jahren aufgewachsen waren, auch noch Anfang sechziger Jahre, hätten ein vollkommen anderes Erleben der Dinge die späteren Generationen es haben - und nicht nur, natürlich auch wegen der veränderten Geräte, Maschinen, Automaten und so weiter Und auch mir scheint es, daß fast ein Übergang oder eben Bruch ent. standen ist zwischen einem Mittelalter und einer vielleicht anderen Neuzeit. Autoren wie Arnold Stadler und ich, das merkt man vielleicht an unser beider Bücher, haben noch eine gemeinsame Kindheit, die nicht ausschließlich bestimmt war von Mechanismen, von Maschinen Es gab noch Fragmente eines anderen Daseins; und wenn es auch nur Fragmente waren, so haben solche Fragmente - Fragmente der nichtmechanischen Dinge und der nicht-mechanischen Verhaltensweise - doch in uns eine Art Schein hinterlassen, welche die Autoren, kommt mir vor, die in den sechziger Jahren geboren sind, auf diese Weise nicht mehr haben. Es ist da ein gewaltiger Bruch, nicht nur über die Jahrzehnte, sondern vielleicht über die Jahrhunderte entstanden, so daß gerade vielleicht meine Generation und die Generation von Alfred Kolleritsch - noch lesen kann, was die nach uns geschrieben haben, ein Jahrzehnt nach uns, daß danach das Lesen aber schon schwierig wird. Wie Lars Gustafsson vorhin gesagt hat, die Vorgänge im Gehirn seien so kompliziert zu übersetzen; nun, inzwischen ist es, daß nicht nur die Vorgänge im Gehirn in die Sprache kompliziert zu übersetzen sind, sondern die Bücher, die geschrieben werden, nur kompliziert für den Leser zu verstehen sind. Der Leser muß für die Bücher, die heute von den Jüngeren geschriebenen Bücher, einen großen Übersetzungs- oder Schall- oder Empfangsraum in sich haben, um sie in seine Art zu sehen noch übertragen zu können.

Ich will nur ein paar Fragmente von mir geben zu Arnold Stadler hier. Mir kam es, als ich seine drei Bücher - mehr sind es bisher nicht, und die sind alle nicht sehr dick -las und sie wieder las, vor, daß das Wort vom »Zerpflücken« ein gewisses Recht hat. So wollte ich Ihnen, die Sie vielleicht die Bücher Stadlers nicht gelesen haben, nur ein paar Eindrücke weitergeben. Ich dachte dabei an Gerhard Meier, der mir gestern gesagt hat, er sei sehr gespannt, zu erfahren, wer dieser Arn Stadler sei, er habe nichts von ihm gelesen, und da dachte ich, eigentlich sei doch sehr viel Vergleichbares, Ähnliches zwischen den B von Gerhard Meier, von Hermann Lenz und dem vielleicht dreißig, vierzig Jahre jüngeren Arnold Stadler, und zugleich überlegte ich, wie könnte ich dem Gerhard Meier erzählen oder ihn ahnen lassen, was der Arnold Stadler gemacht hat.

Bei Arnold Stadler, lieber Gerhard Meier, ist ein Grundzug das Licht, genau wie in deinen Büchern. Nur ist die Grammatik völlig anders. Arnold Stadlers Bücher bestehen fast ausschließlich aus Hauptsätzen; sehr kurze Sätze, die deinen geschwungenen, spiraligen Sätzen völlig widersprechen. Es ist ein ähnlicher Blick, aber der Blick, in Sprache übersetzt, wird zu einer ganz anderen Form. Und so dachte ich mir, Arnold, als ich deine Bücher wieder las, daß das Problem deiner Bücher - mit »Probleme meine ich nicht einen Mangel, sondern Problem ist für mich etwas Schönes: wo ich im Lesen kein Problem habe, lese ich nicht gern oder da gibt mir das Lesen nichts zu denken -, also: das Problem deiner Bücher sei eines zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Es ist fast, als ob die Bücher, die du geschrieben hast, keine Schrift mehr bräuchten, zeitweise. Es ist, als ob sie das Mündliche wieder erreicht hätten, von dem, wie man sagt, alles ausgegangen sei, so daß das Lesen, das erstmalige Lesen das Problem darstellt. Man sagt manchmal von einem Buch, es vertrage ein mehrmaliges Lesen nicht. Deine Bücher aber, kommt mir vor, vertragen, für Leute, die anfangen, sie zu lesen, ein einmaliges Lesen nicht.

Erst beim zweiten Lesen kommt es zum Lesen. Beim ersten Lesen ist es, als ob- und deswegen verstehe ich auch deinen Freund Martin Walser, daß er so schön auf dich eingegangen ist - ein Mündlicher, fast ein Darsteller schreibt, kein Schreiber, sondern ein Darsteller. Deine Literatur hat etwas Schauspielerhaftes aufs erste Lesen, und das kann das Lesen zu einem Problem machen.

Es muß vielleicht ein bißchen erzählt werden - ich werde nicht lange reden, wo Arnold Stadler aufgewachsen ist. Ich kenne die Gegend nicht, ich war nur einmal in Freiburg im Breisgau, was vielleicht die Zentralstadt seiner Jugend war, als Kleinstadt aber war der Kindheitshauptort Meßkirch, und ich muß sagen, nach dem zweimaligen Lesen seiner Bücher kommt von denen mehr Anziehung, in die Gegend von Meßkirch zu gehen, als von dem, was - Verzeihung, Alfred Kolleritsch, du Philosophen-Verehrer - Heidegger geschrieben hat. Es stehen da genaue Bilder aus der Jugend Arnold Stadlers, es sind im Grund Bücher aus der Kindheit und der Jugend, die dreimal in verschiedenen Varianten eine ähnliche Welt mit verschiedenen Dingen darstellen. Ich habe mich hingezogen gefühlt zu dieser Welt, die de zwischendurch mit einer großen Grausamkeit dargestellt ist in Bilchern Arnold Stadlers; hingezogen gefühlt wie zum Beispiel de Kleinstadt Künzelsau, die Hermann Lenz darstellt in den Büchern aus seiner Jugend und Kindheit.

Es ist zugleich zu spüren, daß Arnold Stadler Theologie studiert hat in München und später in Rom. Für mich, der ich auch ein Seminarist war, war jemand, der direkt nach Rom ging zum Priesterstudium, der Kaiser. So einen sah man von weitem überhaupt nur in Farben. Wie er auch selber schreibt: als er als junger Mensch in Rom in seiner Seminaristenkleidung ging, wurde er für einen Kardinal gehalten. Die Leute hinter ihm sagten, so jung und schon Kardinal. Das ist eine Erinnerung aus meiner Seminarzeit: die Leute, die nach Rom gingen, kamen dann zurück und wurden Bischöfe. Arnold Stadler ist aber Schriftsteller oder Schreiber geworden.

Es spielt ungeheuer viel Vergangenheit, um nicht zu sagen, Bildung mit in seinen Büchern. Lassen wir Thomas von Aquin und alle Scholastiker oder wen auch immer aus der Theologie und Philosophie beiseite: man spürt, seine Sprache und sein Blick sind durch die große abendländische Landschaft der Zeichen und vielleicht weniger Wunder hindurchgegangen. Aber mit nichts davon trumpft Stadler in seinen Erzählungen auf. All seine drei Bücher, auch wenn sie wissen, sind Bücher eines Kindes. Nie hebt er sich in den Stand des Wissenden, des großen Erzählers; er bleibt bei dem, was er als Kind war, kritisiert sich als Kind; und es ist fast erschreckend, wie streng er nicht nur mit der Geschichte seiner Gegend ist, sondern vor allem mit sich selber. Das Bezeichnende scheint mir, Arnold Stadler, deiner Bücher ist einerseits eine gewaltige Sehnsucht. Aber genauso bezeichnend ist die Ernüchterung, die das andere Problem des Lesens deiner Bücher darstellt. Die ungeheure Sehnsucht des Kindes und demgegenüber das andere , das da über die Sehnsucht schreibt, das fast ernüchtert, ja, enttäuscht mehr noch als ernüchtert, eben enttäuscht ist. Ich kann mich erinnert, als ich ein junger Mensch war, kam ich in eine Landgegend, wo ein Lehrer mir seinen Freund beschrieb, der sich das Leben genommen hat. Er sprach von diesem Freund, der auf dem Totenbett lag, und sagte von ihm, der immer ein großer Sehnsüchtiger gewesen sei: »Wie enttäuscht ausgesehen auf seinem Totenbett!« Die Enttäuschung Gesicht eines Toten. Nun ist Arnold Stadlers Prosa freilich keine Prosa eines Toten, aber es ist eine ungeheure Verzweiflung darin, die mich - nicht erschreckt, dafür jedoch manchmal empört. Und zwar deswegen, weil sie sehr oft ins Lustige übergeht. Das könnte auch-sage ich jetzt wieder zu dir, Gerhard Meier, um dir die Stadler-Bücher ein bißchen näherzubringen - jemanden wie dich stören; denn in manchen Sätzen hört man, vor allem am Ende der Absätze, eine Pointe, die die Offenheit der Absätze zuschließt; so als sei der, der schreibt, betroffen über die Offenheit, die von ihm ausgeht, und mache jetzt den Absatz mit einem Schlüssel zu, mit einer Pointe, mit einem Witz oder, noch schlimmer, mit etwas, was man halblustig nennen könnte. - Es ist aber. um wiederum aufs zweite Lesen zurückzukommen, dem nicht so! Mir scheint, es komme zu der Sehnsucht und zu der Enttäuschung noch etwas Drittes hinzu, und das ist eine gewaltige Scham - nicht Beschämung, aber Scham, die kafkasche Scham, die ihn dazu bringt, die Absätze und sogar auch die Enden der Bücher zuzusperren mit einer Art Lustigkeit, die man wieder für Momente mit der in Martin Walsers Prosa verwechseln könnte. Ich habe sie aber anders gelesen.

Es ist etwas Wunderbares beim mehrmaligen Lesen dieser drei kleinen Bücher. Die Bücher fangen sehr klein an, fast pointillistisch, fast als ob Arnold Stadler sein Thema gleich zu Beginn abschwächen wollte. »Hört mir bitte nicht zu.« In dem Sinn: er fängt nicht an wie Homer jetzt kommt her, Leute, und hört die große Geschichte an-, sondern er fängt an mit kleinen, fast lästigen Sachen, die ablenken sollen von dem, was er der Welt zu sagen hat. Ja, der Welt.

Es fängt also winzig klein an - und wird immer weiter. Man darf von den Barrieren, die der Herr Autor Stadler selber errichtet, sich nicht abhalten lassen, das Abenteuer des Lesers suchen zu gehen im Lauf all seiner Bücher. Das erste Stadler-Buch heißt »Ich war einmal«, das zweite ist die Geschichte seiner Forschungsreise nach Südamerika, die >Feuerland heißt, das dritte hat einen so komplizierten Titel, daß der am Anfang auch Probleme macht: es heißt »Mein Hund, meine Sau, mein Leben«. Aber in sämtlichen dieser Bücher, spätestens nach ein, zwei kleinen Kapiteln, kommt ein großes Kapitel, wo Arnold Stadler, fast gegen seinen Vorsatz, gegen die Zwänge, oder gegen seine SchamScham ist ja kein Zwang-, zum Epiker wird. Wo er weit wird wie ein Kontinent. (Damit meine ich nicht nur das südamerikanische Buch.) Wo er auf eine ähnliche Weise weit wird, wie gerade vorhin auf der Busfahrt durch die Alpilles hier zwischen St. Rémy und Arles die Landschaft uns weit wurde: man denkt sich hier im Hochgebirge, und so denkt man sich auch im Lesen Stadlers lange, lange in den Alpilles - das Gebirge! die Weite! Aber dann plötzlich, wie in den kleinen Alpen hier, wie bei Arnold Stadler, kommt ein Durchblick, und man sieht, wie klein-klein alles ist. Das scheint mir das Charakteristische seiner Bücher: das Hochgebirge, das Weite, das Epische - und zwischendurch. wie in dem Gebirge«, das wir gerade durchquert haben, sieht man plötzlich, wie nah doch die Niederungen sind. Das weite Gebirge und das ganz kleine, fast Schäbige, Kranke, Selbstkritische, überhaupt Kritische gegen die anderen: sie liegen ganz nah beieinander. Und es ist auch das Bezeichnende in seinen Büchern, daß die Kapitel, wie aus einer Kraftvergeudung in der Mitte, wo das große Epos schon ganz nah schien, gegen Ende immer kürzer werden, als ob der ansatzweise große Atem aufhört; als ob jemand fast weggeht aus dem Bild; als ob jemand sich aus dem Bild hinaustritt sogar, mit einem Fußtritt sozusagen. Es ist eine große Liebe und zugleich ein großer Widerwille gegen sich selber und gegen die Welt in dem Schreiben Stadlers zu spüren - beide zusammen ungeheuer spannend, sowie man lesend sich einläßt - und einlassen auf ein Buch muß man sich heutzutage immer; hier aber kann man sich auch einlassen.

Und es ist seltsam, Arnold Stadler, in deinem letzten Buch, der Ge. schichte von deinem geliebten Hund, von deinem geliebten Schwein und von deiner geliebten Welt: seltsam, dort wo du am Schluß sagst, die Mutter fehlt-wo doch in deinen Büchern fürchterliche Verwandte vor kommen, noch und noch, aber Mutter und Vater fast nie. Ja, seltsam: am Ende dieses letzten Buches (und sage ich wieder zu Gerhard Meier) kommt, wie zum ersten Mal, das Wort Mutter vor, unter Fragezeichen. Und da fragt sich Arnold Stadler weiter, ob er nicht ganz anders, ganz neu, von ganz anderen Leuten erzählen sollte? Und vorher sagte er ungefähr so: Eigentlich ist nur Liebe in mir - und statt der Liebe erzähle ich blöde Geschichten. Und da, in diesem Schluß, den du »Nachspiel« nennst, deines dritten Buches, kommen auch zum ersten Mal längere Sätze vor, fast komplizierte Sätze. Und in denen ich mich als Leser behütet gefühlt habe. Und ich würde hier gern einen Absatz, wenn air das nicht unrecht ist, aus diesem »Nachspiel« vorlesen:

»Immer noch habe ich die Hoffnung auf eine schönere Fortsetzung, a anderem Ort? Wer weiß. Mit ganz anderen Menschen als am Anfang gewiß. Die Hebamme? Sie hat mich mit einer Zange ins Leben geholt. Sie hat mich mit einer Schere von meiner Mutter getrennt. Sie hat mich zum ersten Mal gewogen. Die Kindergartenschwester Maria Radigundis? Ihre Haare unter einem Schleier, nie gesehen. Ihre Sommersprossen? Von denen durfte ein Kind nicht reden. ---- Die Mutter?

Mit ganz anderen Menschen als am Anfang ...

Wir gehen tausendfach durch den Kaufhof. Wir tragen uns mit uns herum und geben den Glauben, daß alles gut wird - so sagen meine Kronzeugen: die Hebamme, die Kindergartenschwester, der Arzt beim Abstellen der Geräte, der Priester bei der Letzten Ölung - nie ganz auf, ungeachtet dessen, was wir ein Leben lang sagen und denken, und ganz gegen jegliche Vernunft. Mit ganz anderen Menschen um uns herum als am Anfang, ist am Ende einzig unser Glaube, daß alles gut wird, der alte. Anfangsmenschen, Zwischenzeitmenschen, Endmenschen, von denen wir es (daß alles gut wird) noch einmal gesagt bekommen, ob wir es noch hören oder nicht --— und dann versickern wir, anders und unbeschreibbarer als das Wasser im Sand oder der Sand selbst.

Mich verlangte nach einer oberschwäbischen Seele, einer warmen Seele, einer Speckseele mit geröstetem Speck, zwischen den beiden Seelenteilen, die meinen Hunger gestillt hätte.«

Danke, Arnold Stadler, für dieses Lesen, für dieses Lesen-Können.